Teil Acht unserer Serie «Herzensgschichta us Graubünda» geht weiter mit dem Paar Zuzana und Manfred Vinzens.
Autorin: Karin Hobi , Bild: Olivia Aebli-Item, Video und Gestaltung: Suela Tuena
Es wird langsam dunkel. Im Cupcake-Laden in Chur brennt zwar noch Licht, aber die Gäste sind gegangen. Zuzana Vinzens, 49, und Manfred Vinzens, 51, stehen in der Küche, sind am Putzen und räumen eifrig das Geschirr weg, das sich über den Tag angesammelt hat. Sie redet währenddessen, lacht und kichert immer wieder. Er ist eher ruhig und hört ihr schmunzelnd zu. Alles läuft Hand in Hand, und ruckzuck ist die Küche aufgeräumt. Es ist Zeit für den Feierabend bei einem Tee an einem ihrer Tische im Lokal.
Er: Ja, klar. Ich bin hier ein bisschen das Mädchen für alles. Ansonsten bin ich im Architektur- und Immobilienbereich tätig, unterstütze Zuzana aber im Laden, wo ich nur kann.
Sie: So verbringen wir ja auch Zeit miteinander. Und da ich die meiste Zeit hier im Laden bin, würden wir uns sonst gar nicht viel sehen. Wenn wir an den Wochenenden hier zusammenarbeiten, haben wir es immer mega lustig.
Er: Vor elf Jahren. Wir waren beide im Ausgang in Chur.
Sie: Ich lebte damals noch in Zürich und kam mit einer Kollegin hierher.
Er: Da war diese schöne blonde Frau. Ich habe sie sofort wahrgenommen und angesprochen.
Sie: Ich erinnere mich wage an irgendeinen Spruch von ihm. Und ich hatte eigentlich gar keine Lust auf eine neue Bekanntschaft, weil ich noch im Scheidungsprozess mit meinem Exmann war. Eigentlich wollte ich einfach die Zeit mit meiner Freundin geniessen.
Er: Wir haben über Eishockey gesprochen. Und ich habe dir am nächsten Tag geschrieben: «Tschechien hat gewonnen. Gratuliere.» (Zuzana Vinzens ist in Tschechien aufgewachsen)
Sie: Stimmt. Ich war ganz verwundert darüber, dass ich dir überhaupt meine Nummer gegeben habe. (lacht)
Sie: Eine Woche später.
Er (schmunzelnd): Ich habe mit meinem neuen roten Sofa angegeben und sie zu mir nach Hause eingeladen, um es zu begutachten.
Sie: Ich war also wieder bei ihm in Chur und habe direkt dort übernachtet. Und am nächsten Morgen drückte er mir, bevor er zur Arbeit ging, den Hausschlüssel in die Hand.
Er: Ja, den du eigentlich später hättest in den Briefkasten legen sollen.
Sie (lachend): Ich habe ihn behalten. Ich fühlte mich sofort wohl hier bei ihm. Und als ich auf dem Balkon stand und zum Calanda hochsah, wusste ich, dass ich hier in Chur und bei ihm richtig bin. Hier wollte ich bleiben.
Er: Ja. Sie zog sehr schnell bei mir ein. Und ein knappes Jahr später haben wir geheiratet. Ich machte ihr einen Antrag.
Sie (lachend): Ja, und zwar ohne Worte.
Er: Ich bin halt jemand, der nicht viel redet. Aber ich habe für dich gekocht. Einen Cervelat-Salat habe ich gemacht.
Sie: Obwohl ich das gar nicht so mag. (beide lachen) Und dann hat er mir ein Zettelchen hinübergeschoben, wo er zwei Strichmännchen hingemalt hatte. Eines davon war auf den Knien, und in einer Sprechblase stand: «Willst du mich heiraten?» Meine Antwort habe ich ebenfalls auf den Zettel geschrieben, mich aber gleichzeitig gefragt, ob ich keinen Verlobungsring bekomme. (beide lachen)
Er: Den gab es doch am nächsten Tag. Mit einem Blumenstrauss dazu.
Sie (wieder lachend): Der Ring war viel zu gross und passte nur an meinen Daumen. Und es war kein Blumenstrauss, sondern ein Blumentopf mit einem Weihnachtsstern.
Sie: Nein. Ich habe eine erwachsene Tochter und hatte damals bereits ein Enkelkind. Für mich war das Thema abgeschlossen.
Er: Für mich war das Kinderhaben nie ein Thema. So hat das gepasst.
Sie: Ich habe dann hier diesen Laden eröffnet und dafür sehr vieles gegeben. Dieses Geschäft ist eigentlich auch wie unser Baby.
Sie: Ja, ich bin eher eine Verrückte (lacht). Der wilde bunte Vogel. Ich üerlege oft auch nicht allzu lange, sondern mache einfach, was mir grad in den Sinn kommt.
Er: Und genau darum ergänzen wir uns. Ich bin eher der Überlegte und wäge viel genauer ab bei Entscheidungen. Halt so ein bisschen der Bodenständige.
Er: Eher weniger. (überlegt kurz) Oder doch: Wir sind beide Geniesser. Wir können – nebst all der täglichen Arbeit – gemeinsam gutes Essen und Ruhe geniessen. Einfach mal auf dem Sofa sitzen und nichts tun. Oder spazieren gehen.
Sie: Und wir verreisen beide sehr gerne. Wobei: Auch da sind die Rollen klar aufgeteilt.
Er (grinsend): Ja. Sie sagt, wohin es gehen soll. Und ich plane. Aber das passt so für mich, ich mache das gerne. Und so ergänzen wir uns auch darin wieder.
Er: Ärgern ja. Aber streiten will ich nicht.
Sie: Wenn ich mich über ihn ärgere, kommt natürlich auch mein Temperament zum Vorschein.
Er: Und bevor du explodierst, sorge ich dafür, dass wir einen Moment Pause voneinander haben.
Sie: Dass er so die Ruhe bewahren kann, finde ich zwar schön, gleichzeitig manchmal halt auch schwierig wenn er nicht redet. (Zu ihm gewandt) Und du nervst dich manchmal, wenn ich halt einfach handle, ohne zu überlegen.
Er (nickt): Aber zum Glück sind wir beide keine nachtragenden Menschen. Wir können die Themen dann auch wieder ruhen lassen.
Sie: Ja. Für mich war es besonders schwierig, als Manfred krank war. Oder besser: als er nicht einsehen wollte, dass er professionelle Hilfe brauchte. Diese Situation war fast nicht zu ertragen. Ich war so machtlos und wusste nicht mehr, wie ich ihm helfen sollte. Und alle fragten ständig nach ihm, aber die wenigsten dachten daran, dass auch ich durch diese Situation an der Grenze meiner Kräfte war.
Er: Irgendwann hatte ich einen Nervenzusammenbruch und da musste ich es einsehen, dass ich Hilfe brauchte. Von da an war ich unter ärztlicher Aufsicht und verbrachte auch einige Zeit in einer Reha-Klinik. Heute geht es mir zum Glück wieder gut.
Sie: Natürlich fällt man mit der Zeit nicht mehr ständig übereinander her. Und wir sind halt sowieso beide immer sehr beschäftigt. Da reicht es als körperliche Nähe manchmal, einfach nebeneinander auf dem Sofa zu liegen.
Er: Ja. Am Anfang ist man so Feuer und Flamme füreinander. Da haben Zärtlichkeiten sicher einen höheren Stellenwert. Mit der Zeit gibt es Dinge, die wichtiger werden: Dass man nicht allein ist, zum Beispiel. Dass man sich auf den anderen verlassen kann. Dass jemand da ist, der einen kennt. Mit dem man verbunden ist.
Wie zeigt ihr einander eure Liebe?
Sie: Manchmal besuche ich meine Familie in Tschechien – ohne Manfred.
Tagsüber läuft dann immer sehr viel. Aber wenn ich nachts allein im Bett liege, vermisse ich ihn schon sehr. Dann bin ich nicht gerne ohne ihn.
Er: Ich muss gestehen: Wenn ich weiss, dass sie ein paar Tage weg sein wird, kann ich es manchmal fast nicht erwarten. Ich geniesse es, auch mal ein paar Tage für mich zu sein. Aber bei mir ist es wie bei ihr:
Kaum liege ich alleine im Bett, fehlt sie mir extrem.
Er: Sie hat eine unglaubliche Willenskraft. Klar, manchmal will sie mit dem Kopf durch die Wand. Aber sie kommt immer ans Ziel. Ach, eigentlich mag ich alles an ihr.
Sie: Ich hatte vor Manfred immer schwierige Beziehungen. Und dann kam er und war einfach immer da für mich, half immer wo er nur konnte und machte mit mir jeden Blödsinn mit. Es stört mich auch nicht, dass er nicht der Mann ist, der gross über seine Gefühle redet. Mir sind Taten und Verlässlichkeit viel wichtiger als Worte und Geschenke oder Blumen. (Sie lacht laut heraus) Würde er mir einen Blumenstrauss bringen, wäre ich schon fast schockiert und würde ihn wohl fragen, ob er irgendetwas angestellt hat. Wir funktionieren sehr gut als Team. Ich bin einfach unglaublich glücklich mit ihm.
Was ist Ihr Geheimrezept für die grosse Liebe?
Er: Respekt. Ohne gegenseitigen Respekt geht es nicht. Auch Zuverlässigkeit: sich aufeinander verlassen können. Und: Keiner ist wichtiger als der andere.